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Free Work

Am Meer

Seit 2005 fährt die Fotografin in Badeorte, um deren Eigenarten zu einer untypischen Zeit einzufangen: nach der Saison und menschenleer. Sie wartet auf den Blick auf die freie und wenig bevölkerte Natur. So sind ihre Bilder aus der Gruppe „Am Meer“ von einer Ruhe, die auf den Betrachter einwirkt, als wäre er selbst am leeren Strand. „Es gibt Situationen, in denen finde ich es spannender, nicht die Menschen selbst zu zeigen, sondern Dinge, die auf sie verweisen“, so Frauke Schumann.

Es sind die kleinen Dinge im Leben, die das Besondere ausmachen. Jenen Dingen, die in der Alltagshektik gerne übersehen werden, widmet die junge Fotografin Frauke Schumann ihre besondere Aufmerksamkeit. Auf den ersten Blick wirken ihre Bilder kühl, fast nüchtern. Das Gegenteil ist der Fall: sie sind fein beobachtet und bis ins Detail durchdacht. Das zeigt sich im Bildaufbau, der Farbigkeit, in einer gewissen Unaufdringlichkeit der Fotos, die sich wohltuend beruhigend und natürlich zeigen.

Und so erzählt sie uns eine Geschichte, die wir alle nur zu gut kennen: vom Abschiednehmen am Ende der Ferien, vom letzten wehmütigen Blick auf so banale Dinge wie Beton-Blumenkübel und Wellblech-Windschutzecken, die trotzdem die Erinnerung lebendig halten.

(Berliner Zeitung)

 

Ein Stück Deutschland -
Momentaufnahmen eines Dauercampingplatzes am Rande des Ruhrgebiets

Schon der Begriff „Dauercamping“ ist ein Paradoxon, trägt also einen Widerspruch in sich. Denn Campen bedeutet normalerweise: Zeitlich begrenztes Leben in Zelten, Wohnwagen oder Wohnmobilen. Halt machen in landschaftlich reizvollen Lagen. Ganz für sich alleine in der Wildnis. Oder umgeben von ständig wechselnden Gesinnungsgenossen auf einem Campingplatz. Für zwei, drei oder auch mal zehn Tage. Dann zusammenpacken und weiterziehen. Den Wohnwagen ankoppeln und einfach wegfahren. Sich in Bewegung setzen, einen neuen Halteplatz suchen und finden. Kurz dort bleiben, wo es schön ist.

Nicht nur die Holländer sind ein Volk der Camper. Im Jahr 2006 verzeichneten die deutschen Campingplätze 18,2 Millionen Übernachtungen von Inlandstouristen. Hinzu kamen 3,3 Millionen Übernachtungen ausländischer Besucher. Die meisten kamen, blieben kurz und fuhren wieder. Zurück in ihre Häuser und Wohnungen, raus aus den Teilzeitheimen auf Rädern, wieder hinein in die altbekannte, sesshafte Welt.

Camper wollen unterwegs sein, sich fortbewegen. Sie wollen im Urlaub der Ortsansässigkeit entfliehen, der geographischen Einschränkung durch Alltag und Beruf. Das Gefühl der Freiheit genießen, nicht in einer Bettenburg eingepfercht zu sein. Nun gut, eng ist es beim Campen auch. Wohnwagen sind in der Regel keine mobilen Präsidentensuiten. Auch wenn die Markennamen „Majestät“, „Baronesse“ oder „Deluxe“ den puren Luxus verheißen. Den Komfort eines Reihenhauses in einer Vorstadtsiedlung bieten Wohnwagen und -mobile jedenfalls nicht. Aber das einfacher leben, dass improvisieren, gehören zum Camping dazu. Es ist ja nur für kurz. Nicht für lang. Nicht von Dauer.

Dauercamper sind anders. Sie leben in fest installierten, verbauten Wohnwagen, die nur noch mit einem Tieflader bewegt werden können. Ihre Behausungen haben Vor-, An- und Überbauten in Mitten von abgezäunten Grundstücken und Gärten, die auf Campingplätzen Parzellen genannt werden. Hier haben es die Dauercamper wesentlich komfortabler als ihre mobilen Artgenossen: Ihre Residenzen verfügen über Duschen und Toiletten, über Strom, fließend Wasser und Satellitenfernsehen.
Ihre Welt wirkt gepflegt und ordentlich, adrett und spießig. Die Hecken sind symmetrisch geschnitten, die Zäune immer frisch gestrichen. Nichts deutet darauf hin, dass die Menschen an diesen Orten eine „Bald bin ich weg“-Attitüde pflegen könnten. Tun sie auch nicht, für viele Dauercamper ist diese Welt ihr zuhause.

Bei Dauercampern ist der Übergang zwischen Sesshaftigkeit und Mobilität fließend. Ursprünglich waren viele einmal Reisecamper, die eigentlich nur nach einem temporären Stellplatz für ihr Wohnmobil suchten. Im sozialen Gefüge des Campingplatzes knüpften Sie dann zwischenmenschliche Beziehungen, kamen öfter, blieben schließlich ganz. Viele dieser Menschen haben den Campingplatz inzwischen zu ihrem Erstwohnsitz gemacht. Sie sind immer da, bei Wind und Wetter. Teilweise schon seit über 30 Jahren. Andere sind zumindest im Frühling und Sommer in diesen seltsamen Enklaven modernen Lebens anzutreffen. Dann eben, wenn es das unbeständige deutsche Klima angenehm macht.

Die Gründe für das Verweilen in einem Kunstraum, der eigentlich nur für begrenzen Aufenthalt erschaffen wurde, liegen auf der Hand. Mit dem Bezug ihres neuen Heims tauschen die Dauercamper die empfundene Anonymität und vermeintliche Unsicherheit der postmodernen Großgesellschaft gegen eine quasi dörfliche Idylle. Dauercamper leben „im Grünen“, ohne jedoch auf Komfort verzichten zu müssen. Zudem bewegen Sie sich in einem fest definierten, streng reglementierten Umfeld. Wer dazu gehört und wer nicht ist klar umrissen: Wir auf dem Campingplatz gegen die da draußen jenseits des großen Zaunes. Komplexität wird so auf angenehme Weise reduziert. Die Welt wird überschaubar gemacht, ein starkes Gemeinschaftsgefühl wird erschaffen.

Die Übersichtlichkeit birgt jedoch nicht nur Vorteile. Das Leben als Dauercamper ist ein Leben auf engstem Raum. Die Menschen müssen sich untereinander arrangieren, müssen auf wenig Platz zusammenleben und miteinander auskommen. Die Nähe zum Nächsten macht versteckte Regelverstöße nahezu unmöglich. Ein ewiges System des gleichzeitigen Beobachtens und Beobachtetwerdens raubt Freiheiten und sorgt für Sanktionierung. Ohne Anpassung ist das Leben in einer solchen Welt nahezu unmöglich.

Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stand das Begehren, das Leben in der Parallelgesellschaft „Dauercampingplatz“ mit fotografischen Mitteln abzubilden. Wer lebt an einem solchen Ort? Wie leben die Menschen dort? Welchen Beschäftigungen gehen die Dauercamper nach? Welche sozialen Hierarchien gibt es? Über welche Zeichen verläuft die Kommunikation der Bewohner untereinander? Welche Statussymbole werden auswärtigen Besuchern in dieser Welt präsentiert? Auf solche Fragen sollen die Bilder Antworten liefern, die von Anfang März bis Ende August 2007 auf dem Gelände des Campingplatzes „Hoher Niemen“ bei Haltern am See entstanden.

Der Campingplatz am Rande des Ruhrgebiets existiert seit dem Ende der 1950er Jahre und umfasst eine Nutzungsfläche von rund zehn Hektar. Insgesamt bietet „Hoher Niemen“ den Kampierenden 250 Stellplätze, die im Durchschnitt von zwei Personen bewohnt werden. Aufgrund von anfänglichen Zugangsschwierigkeiten zum Milieu der Dauercamper, entschloss sich die Fotografin, sich selbst mit einem Wohnwagen auf dem Campingplatz einzuquartieren. Sie belegte vier Monate die Parzelle 4146 des „Hoher Niemen“. Immer wenn Wetter, Studium und Beruf es zuließen, verweilte sie auf dem Campingplatz und konnte schließlich das Vertrauen
der Dauercamper gewinnen.

Ergebnis dieses langfristigen Arbeitsprozesses sind intensive und dichte Moment-aufnahmen aus einer weitgehend unbekannten Welt am Rande unserer Gesellschaft.
Die Bandbreite der vorliegenden Bilder reicht vom skurrilen Porträt bis hin zum verstörenden Stillleben. Dabei meint das Auge des Betrachters erdrückende Kleinbürgerlichkeit, unbefriedigte Sehnsüchte nach Freiheit und Selbstbestimmung sowie unbeschwerte Lebensfreude gleichzeitig aufzufangen. Trotz der entlarvenden Kraft der Bilder, wird der Respekt vor den abgelichteten Individuen und ihrer Lebenswelt stets bewahrt.

 

Strike a Pose – Ladyboys in Thailand

Sie sind weder Mann noch Frau, sondern beides. „Kathoey“, Andersartige, werden sie genannt, fest verankert in Thailands Kultur. Verglichen mit anderen Gesellschaften, wo Transgender und Transsexuelle erst seit relativ kurzer Zeit sichtbar sind und ihre Rechte einfordern, sind die Kathoeys in Thailand wesentlich sichtbarer und akzeptierter. Dies wird häufig auf die buddhistische Kultur zurückgeführt, die großen Wert auf Toleranz legt. Und dennoch gibt es in Thailand bisher keine gesetzliche Anerkennung von Kathoeys, also keine juristische Möglichkeit der Änderung des einmal  in den Identitätspapieren verzeichneten Geschlechts.

Ich begleitete sieben Nächte die Ladyboys der Boat Bar, einer legendären Institution in Patong auf Phuket. Dort dokumentierte ich neben der zweimal täglich stattfindenden Show die Vorbereitungen und Umwandlungen in der Garderobe, die gleichzeitug Trainingsraum und Lager ist.

 

Volksfest

Cranger Kirmes, Bremer Freimarkt, Münchner Oktoberfest. Das sind nur drei der großen Volksfeste in Deutschland, die jedes Jahr Millionen Spaßhungrige anziehen. Nur für ein paar Tage, maximal für ein paar Wochen – dann sind die bunten Kulissenstädte wieder verschwunden. Bis zum nächsten Mal.

Volksfeste sind künstliche Orte, temporär geschaffen für verdichtetes Erleben, die Reizüberflutung ist Programm. Menschen kommen dort zusammen, um von allem zu viel zu genießen: Zu viel Bier, zu viel Essen, zu viel Lärm, zu viel Techno-Krach und grelles Neonlicht.

Wie wirken diese Orte wohl im Morgenlicht? Oder an Tagen des Auf- und Abbaus, wenn der Spaßbetrieb ruht? Die Dortmunder Fotografin Frauke Schumann wollte das mit ihrer Kamera herausfinden. Also hat sie den Stätten des Kollektivrauschs nachgestellt. Und sie dann im Bild festgehalten, wenn sie besonders verletzlich sind.

Wenn sie menschenleer sind, wenn das Tageslicht ihre Risse und Narben zeigt – und wenn die Orte nicht abtauchen können hinter all den Besuchern, die sie mit Lebensfreude und Vergnügungslust bespielen.

Entstanden sind Bilder voller Melancholie und Wehmut. Von Lebkuchenherzen, die nur darauf zu warten scheinen, endlich von den Hälsen der Liebenden zu baumeln. Von zerrissenen Loszetteln auf grauem Pflaster, die von vergebenen Chancen erzählen. Und von stillstehenden Karussells, denen es ohne Kinderlachen wohl an Treibstoff mangelt.

Ohne den Filter aus Nacht und Kunstlicht wirken die Buden, Fahrgeschäfte und Imbissstände bloßgestellt und schutzlos. Das Artifizielle tritt aus den Bildern hervor, eine Scheinwelt, ihres Glanzes beraubt. Farben strahlen nicht mehr, die Technik zeigt sich veraltet – der Lack ist ab, im wahrsten Sinne des Wortes.

Aber die Träume sind noch da: Als Betrachter fängt man schnell an, die Leere und Stille in den Aufnahmen zu füllen. Mit eigenen Erinnerungen, Erfahrungen und Emotionen. Bilder aus der Kindheit verschmelzen mit dem Gezeigten, Sinneseindrücke von Jubel, Trubel und Unbeschwertheit tauchen auf und erzeugen eine persönliche „Kopfkirmes“. Das ist schön und verstörend zugleich.

Entstanden sind Schumanns Bilder am Rande verschiedener Volksfeste im Ruhrgebiet, die Cranger Kirmes in Herne (ca. 400.000 Besucher pro Tag) sowie die größte Kirmes am Rhein in Düsseldorf  (ca. 460.000 Besucher pro Tag) sind nur zwei der Schauplätze.

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